Wie der Hutmacher von New York seinen Weg zu sisterMAG fand

Der Hutmacher von New York

Und das älteste Fachgeschäft der Stadt

 

Das erste Foto für mein Langzeitprojekt Altes Handwerk & Traditionsberufe schoss ich 2016 in New York. Es war der Anfang einer Serie, die ich 2020 in einer Fotoausstellung gezeigt habe.

Das Berliner Magazin sisterMAG wurde darauf aufmerksam und hat mich gefragt, ob ich nicht Text und Fotos für die erste Asugabe in 2021 beitragen möchte. Über die Möglichkeit mal wieder einen Text mit abzugeben, habe ich mich natürlich sehr gefreut!

Und sisterMAG?

… ist das Journal für die digitale Dame – berichtet alle zwei Monate neu über Mode, Essen & Trinken, Reisen, aktives Leben, Beauty, DIY und andere Lifestyle-Themen – aber auch und insbesondere über Technologie, Karriere, digitale Trends und Startups. Das sisterMAG will damit jene Gruppe von Frauen ansprechen, die häufig von Publikumszeitschriften vernachlässigt wird: vielseitig interessierte, gut ausgebildete, selbständige Frauen, die sich für die digitale Welt begeistern und intelligente Informationen in ansprechendem Design präsentiert haben möchten.
Quelle: sisterMAG

Und da sisterMAG den Bereich DIY ausbauen möchte, passte die Präsentation verschiedener Handwerke wunderbar ins Konzept. Und da kam ich ins Spiel…

Vielen Dank an Redakteurin Carolin für die unkomplizierte Zusammenarbeit und die schöne Gestaltung!

Hier geht es direkt zum sisterMAG Artikel zum Blättern in deutsch: Der Hutmacher von New York

Und hier die Version in Englisch: J.J. Hat Center and the hatter of New York

Mehr Beispiele vom Kunstprojekt Altes Handwerk & Traditionsberufe.

Oder wer den Text direkt lesen möchte:

Der Hutmacher von New York

Und das älteste Fachgeschäft der Stadt

Man betritt den Laden und wird in eine andere Zeit versetzt. Die Gerüche, die Holzverkleidung der Regale, alte Kronleuchter spenden schummriges Licht. Eine Welt, die beruhigt, in der bedachte Handgriffe ausgeführt werden, in der Altes bewahrt wird, und in der Menschen überzeugt und begeistert sind, von dem, was sie tun. Das Gefühl der Entschleunigung setzte sofort ein, als die Fotografin Andrea Lang 2016 den Laden in Manhatten betrat, um das erste Foto für ihre Langzeit Fotostrecke zu starten. Mit einem charmantesten und gleichzeitig verschmitzten Lächeln wurde sie von einem gut gekleideten Mann namens Jose empfangen, der ihr bereitwillig Verkaufsraum und Werkstatt zeigte.

Jose begann 1977 oder 78 als Hutmacher. Mit seinem eigenen, charmanten Lächeln erinnert er sich nicht mehr ganz genau. Seit den 70er Jahren hat sich in diesem Beruf viel verändert. Es gibt nur noch wenige Hutgeschäfte in New York, und immer weniger Menschen, die Hüte tragen und zu schätzen wissen. Und doch gibt es Trends wie kurze Krempen, breite Krempen und bestimmte Farben, die immer beliebter werden. Verschiedene Hut Stile werden durch Fernsehserien und Filme populärer. Kappen erfreuen sich seit Peaky Blinders großer Beliebtheit. Der Homburger, ein hoher Herrenhut aus Filz mit hochgebogener, eingefasster Krempe und Mittelkniff in der Krone, erlangte durch Boardwalk Empire Bekanntheit. Und seit die Französin Sarah Bernhardt im Theater die Prinzessin Fédora Romanoff modebewusst mit einem Hut gab, wurde der Fedora weltbekannt und mit Vorliebe von Vertreterinnen der Frauenbewegung getragen. Durch The Marvelous Mrs. Maisel inzwischen wieder bevorzugt mit mittelbreiter Krempe.

Jose begann seine Karriere als Einkäufer von Accessoires für eine kleine Herrenausstatter Kette. Eine der Abteilungen, für die er als Einkäufer verantwortlich war, war die Kopfbedeckung. Danach folgte eine Anstellung in einer Kopfbedeckungs-Manufaktur. “Der Rest ist Geschichte!” sagt Jose und lacht. Gegründet im Jahr 1911, ist J.J. Hat Center New Yorks ältester Hutladen und eine Institution. Seit über hundert Jahren sind die Hutmacher stolz auf exzellenten Kundenservice und kompetente Beratung. Der Hutkauf soll ihren Kunden ein unvergessliches Erlebnis werden, bei dem sie genau den Hut finden, der zu ihrem individuellen Stil passt. Dabei können sie aus über 10.000 hochwertigen Hüten, die jederzeit auf Lager sind, auswählen; und damit aus der größten Auswahl an Kopfbedeckungen in New York City. Sollte man nicht das Vergnügen haben, das historisch eingerichtete Geschäft in an der 310 Fifth Ave in Manhatten besuchen zu können, bieten Jose und seine Kollegen auch online Service und stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Das Besondere an seinem Job sind die Leute, die er im JJ Hat Center trifft. “Hutträger sind größtenteils sehr exzentrisch. Aber der Service, den ich anbiete, erfüllt mich!” Jose liebt es besonders mit dem Produkt Hut zu arbeiten. Und er sieht es als seine Aufgabe Kunden, die sich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen, an die Hand zu nehmen, zu führen und sie für das Thema Hut Tragen zu sensibilisieren. Manchmal kommen Leute herein, die unsicher oder unzufrieden sind, und für die man viel Zeit und Geduld benötigt. “An anderen Tagen scheinen die Leute genau zu wissen, was sie wollen!” Und so weiß man nie, wer zur Tür hinein kommt und was der Tag so mit sich bringt.

Vor einigen Jahren kamen Großhändler in den Laden, um mit der Eigentümerin Aida zu sprechen und ihre Produkte anzubieten. Im Verlauf des Treffens machte einer der Großhändler eine Bemerkung, dass New York City einen guten Hutladen bräuchte. Das war es dann mit dem Geschäft. “Danach haben wir nie wieder bei ihnen bestellt!” lacht Jose.

Neben dem Anpassen einer individuellen Kopfbedeckung gibt es auch einige Reparaturarbeiten, die immer wieder anfallen. Dazu gehören das Bürsten und Formen, das Weiten oder Enger Machen, das Auswechseln des Schweißbandes, das Umflanschen und Abflachen der Krempe und das Wiedereinsetzen des Futters. Ebenso abwechslungsreich sind die Formen wie Western, Travel, Crown Style, Newsboy Caps und Baretts, und die verschiedenenen Materialien, wie beispielsweise Filz, Stoff, Pelz, Leder und Stroh. Unsere Hüte werden nicht nur durch die ganze Stadt, sondern auch weltweit getragen und zur Schau gestellt. Die Leute kommen aus allen Teilen der Welt, werden bei uns beraten und kehren mit den Einkäufen in ihre Heimatländer zurück. Besonders die Kappen finden großen Anklang und werden von den glücklichen Besitzern gezeigt und weiterempfohlen.

Als die Pandemie im Frühling 2020 New York City traf, musste der Laden schließen. Als kleines Unternehmen war die Situation beängstigend. Irgendwann erhielten sie die Erlaubnis, eine Person im Geschäft haben zu dürfen, um die Online-Bestellungen abzuwickeln. Dies brachte sie über die Sommermonate. Als der Laden im Juli wieder öffnen konnten, waren nicht mehr viele Leute in der Stadt und die Prioritäten hatten sich geändert. Ohne ihre Stammkunden und die fleißigen Mitarbeiter hätte sich JJ Hat Center nicht durchsetzen können. Und so hoffen alle, dass sich die Dinge bald wieder normalisieren, und der Laden auch in den kommenden Jahren einen bleibenden Eindruck und ein einzigartiges Erlebnis hinterlassen wird.

 


Infobox

In ihrem fotografischen Langzeitprojekt Altes Handwerk & Traditionsberufe zeigt die Hamburger Fotografin Andrea Lang Handwerker, alte und klassische Berufe, Berufungen mit Leidenschaft und Profession. Einfach, inszeniert, schwarz-weiß Portraits im alten Stil, inspiriert durch August Sander. Anders als bei ihren Werbe-Shootings mit Fotokonzept sind diese Aufnahmen nicht lange vorbereitet, sondern im Reportagestil, ohne größere Inszenierung.
“Ich durfte wahnsinnig spannende Geschichten hören, habe von ihren Tätigkeiten begeisterte Menschen getroffen und tolle Einblicke in Werkstätten und Arbeitsweisen gewonnen. Einer von ihnen fragte mich, was mein Beweggrund für diese Serie war. Mir war schon immer wichtig mit meinen Fotos eine Geschichte zu erzählen. Ich sehe, wie viel in Vergessenheit gerät, und ich möchte einen Teil davon bewahren.” Bei ihren Recherchen fand die Fotografin heraus, dass es den Beruf des Kutschenbauers in Deutschland nicht mehr gibt. „Es lohnt sich einfach nicht mehr“, wurde ihr gesagt. Im September 2020 konnte Andrea Lang die erste Fotoausstellung zum Projekt in einem offenen Gewächshaus verwirklichen. 23 Portraits bewegten sich, in alten Eisen-Fensterrahmen präsentiert, im Wind und gingen eine Verbindung mit der idyllischen Umgebung und Natur ein. Der erste Schritt zur Erinnerung, dass qualitativ hochwertiges Handwerk auch bezahlt werden will, war gemacht. Und damit vielleicht auch der erste Schritt, ein fast vergessenes Handwerk nicht aussterben zu lassen.