Fotoallergie

Foto-Allergie

 

Antje meldete sich bei mir mit den Worten: „Ich muss mal Fotos machen lassen, aber ich finde das ganz schrecklich! Also wirklich ganz schrecklich. Ich mag das überhaupt nicht.“

Nun kenne ich ja viele Menschen, die nicht gerne im Mittelpunkt stehen und dementsprechend auch etwas fotoscheu sind. Aber Antje war schon ein besonders harter Fall. 😉

Zuallererst haben wir über ihre Bedenken gesprochen. „Ich mag mich auf den meisten Fotos eigentlich nicht. Die besten sind die, auf denen ich nicht merke, dass ich fotografiert werde.“

Warum ist das eigentlich so, dass man sich lieber leiden mag, wenn man es nicht merkt? Weil dies die ungestellten Momente sind; die, auf denen man sich nicht angestrengt hat. Und da ist auch schon der erste Knackpunkt. Wir sollten uns nicht „anstrengen“. Vielmehr sollten wir uns „entspannen“. Es gibt viele Menschen, die meinen, ein vermeintliches Doppelkinn ausgleichen zu können, und halten sobald eine Kamera gezückt wird, in fester Überzeugung dann besser da zu stehen, den Kopf angestrengt in den Nacken. Dass bei dieser Haltung der Hals breiter als vorher erscheint, und man zusätzlich ungünstig in die Nasenlöcher schaut, bedenken sie dabei nicht. Weil der Mensch – leider – oftmals auf die Konzentration seiner Fehler und Makel bedacht ist.

Antje wollte außerdem „irgendwie echt“ rüberkommen – also möglichst ungestellt und ohne große nachträgliche Retusche. Damit so etwas authentisch wirkt und man sich dabei wohl fühlt, hilft es ungemein, das ganze Konzept darauf abzustimmen – und das habe ich gemacht. Antje selbst hatte ihrer Website ein schraddelige Stahl-Hintergrundfoto eines Containers verpasst, was sie sehr mochte. Darauf bauten wir auf und planten, einen Teil der Serie im Container-Umfeld zu fotografieren.

Auf der Fahrt zum Shooting gerieten wir beide in einen Stau, da an diesem Tag eine Bombenentschärfung in der Nachbarschaft stattfand. Aber wir ließen uns nicht aus der Ruhe bringen. Der Zeit- und Lichtplan ging trotzdem noch auf. Und natürlich achte ich darauf, mein Gegenüber nicht in der direkten Mittagssonne zu fotografieren, um harte Konturen und mögliche Fältchen noch zu unterstützen.

Antje sagt von sich, dass sie eine ausgeprägte Foto-Allergie hat. Zu diesem und anderen Aspekten des Fotografiertwerdens hat sie sich nach unserem Shooting Gedanken gemacht, die sie später in einem kritischen Bericht festgehalten hat: Deshalb bin nun auf ihrer Website unter der Kategorie F wie Foto-Allergie (ebenfalls) verewigt. Nur eben in Textform. Darin hinterfragt sie kritisch, warum wir überhaupt Fotos machen, wie eitel das Ganze ist, und ob es früher nicht einfacher war…

bts & Making Of vom Shooting mit Antje Jonas, freiberufliche Texterin für Werbung & Unternehmenskommunikation

bts & Making Of vom Shooting mit Antje Jonas, freiberufliche Texterin für Werbung & Unternehmenskommunikation

Was sie allerdings auslässt: Am Ende unseres Shootings mit diversen Positions-, Location- und Outfit-wechseln strahlte Antje und sagte: „Das war gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Es hat sogar richtig Spaß gemacht!“

Ich hoffe, dass ich noch viele Fotoscheue und Foto-Allergiker davon überzeugen kann, dass die richtige Einstellung zum Thema und vor allem zu sich selbst entscheidend ist. Wenn das Shooting dann gut vorbereitet und individuell angepasst ist, so dass man sich mit Klamotte, Ort und Accessoires wohlfühlt, das Gegenüber hinter der Kamera sympathisch ist und weiß, was es tut… kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen.

Neulich hatte ich eine super tolle Begegnung. Ich habe Mitarbeiter-Portraits für ein Unternehmen fotografiert. Der nächste Mitarbeiter kam ins Set. Er hatte wenig Haar und war korpulent. Was er aber vor allem hatte, war eine tolle Ausstrahlung. Er strahlte in die Kamera, kein Anzeichen von Unzufriedenheit oder negativer Grundhaltung. Er ließ sich wunderbar anleiten und sagte „Du wirst schon wissen, was Du machst und nein, nein, am Ende auswählen will ich auch nicht. Das überlasse ich Euch, Ihr habt da sicherlich den besseren Blick.“

Was für eine inspirierende Begegnung. Dieser Mensch hatte so viel Vertrauen in andere und gar keine Lust, sich selber mit kritischem Blick zu beäugen. Zum einen war er zufrieden und mit sich im Reinen. Zum anderen hatte er erkannt, dass man selbst auf Makel achtet, die anderen gar nicht auffallen. Er hatte Spaß am Fotografiert-werden und nahm weder sich selbst, noch die Sache zuuu Ernst. Davon könnten sich viele Menschen noch eine ganz schön große Scheibe abschneiden! Wie oft sind besonders gutaussehende, ebenmäßiger Menschen die kritischen. Und wie oft höre ich den Satz: Das kann man doch später in Photoshop machen, oder?

Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir wieder zu einer natürlicheren Optik gelangen. Dieses verzerrte Bild entsteht natürlich auch durch Handyfilter, die Gesichtsformen optimieren und die Haut weichzeichnen. Und natürlich entscheidend – die Werbung. Magazine und Werbung geben eine Perfektion vor, die sich immer mehr in unsere Köpfe setzt. Hierüber habe ich schon vor einigen Jahren in Perfektion der Werbung geschrieben. Nun aber zur Hauptdarstellerin (oh, das wird sie nicht mögen)…

Über Antje Jonas

Antje ist Texterin. Sie schreibt seit über 12 Jahren beruflich und seit 2015 freiberuflich Texte für Werbung, Unternehmenskommunikation und Redaktionelles. Im B2B- und B2C-Bereich arbeitet sie zusammen mit Agenturen und betreut Unternehmen bei der Weiterentwicklung ihrer Marke und in der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen. Sie liebt sprachliche Eleganz, komplexe Themen, Typografie und Konzeptionen mit Sinn und Struktur. Und seit Neuestem ist sie der Überwindung ihrer Foto-Allergie ein ganzes Stück näher gekommen.

Und nun zu den Ergebnissen des Shootings von Antje!